Sensationeller Schritt in der Energiewende: Rettungswagen fahren zukünftig medikamentös
Wird Hanau zukünftig die Wiege des ökologischen Fortschritts sein? Während sowohl national als auch international noch nach Lösungen für umweltfreundliche Antriebe gesucht wird, verabschiedet sich der Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Hanau bereits von jeglichen fossilen Brennstoffen in der Fahrzeugflotte.
Stattdessen setzen die Verantwortlichen zukünftig auf ein Medikament, das üblicherweise zur Gerinnungshemmung, umgangssprachlich auch häufig als „blutverdünnend“ bezeichnet, eingesetzt wird. Aus der Gruppe der Heparine stammend handelt es sich dabei um so genannte Vielfachzucker (Polysaccharide), die offenbar ähnliche Eigenschaften wie der bislang genutzte Dieselkraftstoff aufweisen.
Stefan Betz, Geschäftsführer der DRK Rettungsdienst Main-Kinzig gGmbH, zeigt sich hocherfreut und führt stolz aus: „Wie bei vielen anderen großen Erfindungen in der Menschheitsgeschichte handelt es sich auch hier eher um einen Zufallstreffer. Im Rahmen eines Schulungstages der Notfallsanitäter-Auszubildenden des ersten Lehrjahres fiel beim versehentlichen Zerbrechen einer Ampulle auf, dass das darin enthaltene Medikament eine ähnliche Konsistenz wie Dieselkraftstoff aufweist. Daraufhin entstand, eigentlich eher im Spaß, die Idee, das Medikament einmal als Treibstoff auszuprobieren.“
Gesagt, getan – und am Ende des Versuchs stand, gelinde gesagt, ein sensationelles Ergebnis. „Heparin scheint in purer Dosierung keinerlei Leistungseinbußen aufzuweisen und verbrennt zudem rückstandslos“, ergänzt Betz. Die Zeiten schädlicher Abgase scheinen damit ein für allemal passe zu sein. Doch der Geschäftsführer warnt auch: „Nicht jedes Medikament scheint für diese Zwecke geeignet zu sein. So kann etwa der Wirkstoff Tranexamsäure, der die Gerinnung begünstigt und damit im weitesten Sinne der Gegenspieler zu Heparin ist, sogar zu einem Verkleben der Kraftstoffleitungen führen und am Ende einen kapitalen Motorschaden verursachen.“
Problematisch gestaltet sich momentan noch das Abfüllen des Medikaments. Wie Michael Kaletta als Bereichsleiter für die rettungsdienstliche Aus- und Weiterbildung ausführt, ist es bislang nur in Ampullen zu 0,2 Millilitern erhältlich. Somit werden für eine 50-Liter-Tankfüllung 250.000 Ampullen benötigt, die jeweils per Spritze aufgezogen werden müssen. „Unsere Auszubildenden im ersten Lehrjahr sind damit gut beschäftigt, um am Tag alle im Dienst befindlichen Fahrzeuge mit den pharmazeutischen Produkten zu versorgen“, berichtet er und ergänzt: „Natürlich waren die jungen Kolleginnen und Kollegen am Anfang alles andere als begeistert über die neue Aufgabe, doch mittlerweile merken sie, dass sie damit bald ein wichtiger Teil von etwas großem Ganzen sein werden.“ Unternehmensseitig wird zudem angestrebt, die Gebindelieferung in Zusammenarbeit mit dem Medikamentenhersteller zeitnah zu optimieren. Betz ergänzt, dass hier zunächst die Lieferung in 2-Milliliter-Ampullen zugesagt wurde: „Das reduziert die Menge einer Tankfüllung schon einmal auf 25.000 Ampullen. Und gerade angesichts der derzeitigen Preise für Dieselkraftstoff ist das Einsparpotenzial bei einer Tankfüllung auch so hoch, dass sich perspektivisch die Einstellung mehrerer so genannter Pharmatankwarte lohnt.“
Die Arbeitsverträge werden dabei nur befristet ausgestellt, da der Geschäftsführer davon ausgeht, Heparin in naher Zukunft an allen großen Tankstellen zapfen zu können. Um die historische Bedeutung der Erfindung zu verdeutlichen, ist er zudem bereits an die Stadtoberen der Rettungswachenstandorte in Hanau, Langenselbold und Maintal herangetreten: „Mit dem heutigen Wissen weiterhin an Straßennamen wie der Benzstraße in Hanau, der Carl-Friedrich-Benz-Straße in Langenselbold oder der Dieselstraße in Maintal festzuhalten, ist in unseren Augen nicht mehr zeitgemäß.“ Zu Ehren der Notfallsanitäterauszubildenden des Jahrgangs 2021 hält er die Umbenennung in NotSan-2021-Straße oder Heparin-Allee für gerechtfertigt und hat hierzu bereits erste positive Signale erhalten.
Er führt abschließend aus, dass die Energiewende alle angeht und sich das DRK in Abstimmung mit den Fahrzeug- und Medikamentenherstellern bewusst dazu entschieden hat, die Idee des neuen Kraftstoffs nicht patentieren zu lassen, um allen Nutzern eine schnelle und unkomplizierte Nutzung dieses wichtigen Technologiefortschritts zu ermöglichen.