Das Freiwillige Soziale Jahr im Rettungsdienst
Die Entscheidung zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) bietet gerade jungen Menschen, die sich hinsichtlich ihrer zukünftigen Berufswahl noch nicht sicher sind, eine gute Orientierungsmöglichkeit.
Auch der Wunsch, sich vor Beginn einer Ausbildung oder eines Studium im sozialen Sektor zu engagieren, bildet häufig die Grundlage eines solchen Jahres. Im Rahmen einer Abschlussarbeit hat Katrin Stolper aus Erlensee Erfahrungen und Gedanken ihres Freiwilligen Sozialen Jahres bei der DRK Rettungsdienst Main-Kinzig gGmbH in Hanau reflektiert. Der nachfolgende Bericht bildet eine Zusammenfassung der Abschlussarbeit. Die vollständige Arbeit finden Sie IM WORTLAUT am Ende des Textes als PDF-Dokument [375 KB] .
Im Zuge Ihrer Abiturvorbereitungen beschäftigte sich Katrin Stolper auch mit der Frage, wie sich der weitere Lebensweg im Anschluss an die schulische Ausbildung entwickeln sollte. Der grundsätzliche Wunsch, eine Tätigkeit im medizinischen Bereich aufzunehmen, wurde durch die Vielzahl der Möglichkeiten und die damit verbundene Unschlüssigkeit für eine bestimmte Fachrichtung erschwert. Berichte und Erzählungen im Bekanntenkreis führten schließlich dazu, sich über ein FSJ zu informieren. Von besonderem Interesse erschien ihr dabei der Rettungsdienst, der einen Querschnitt vom Entstehen eines medizinischen Problems über dessen Erstversorgung vor Ort bis hin zur weiteren Versorgung in der Klinik darstellt und damit ein breites Spektrum abdeckt.
Doch kaum war die Entscheidung für das FSJ getroffen, wurden in Katrin Stolpers Umfeld erste Bedenken geäußert: Die typische Männerdomäne Rettungsdienst, eine hohe körperliche und psychische Belastung und der Schichtdienst waren nur einige Argumente, die auch bei Ihr selbst Zweifel an ihrer Entscheidung aufkommen ließen. Doch nachdem sie realisiert hatte, dass gerade diese Argumente zu den Punkten gehörten, die sie kennenlernen wollte, um sich für ihr weiteres Berufsleben orientieren zu können, wandelten sich die Bedenken rasch in Vorfreude um.
Mit erfolgreich bestandenem Abitur in der Tasche begann sie kurz darauf die vierwöchige, theoretische Ausbildung an einer Rettungsdienstschule. Dem schloss sich eine zweiwöchige, praktische Ausbildung in der Zentralen Notaufnahme im Klinikum der Stadt Hanau an, bevor sie anschließend als dritte Kraft auf einem Rettungswagen ihre eigentliche Tätigkeit kennenlernte. Während dieser Zeit erhielt sie die erforderlichen Einweisungen, beispielsweise für den Umgang mit den medizinischen Geräten, die Hygienevorschriften und die Nutzung von Sonder- und Wegerechten.
Ende Oktober letzten Jahres begann dann ihre Tätigkeit als Rettungshelferin. Gemeinsam mit einem Rettungsassistenten wurde sie als „vollwertiges Teammitglied“ auf einem Rettungswagen eingesetzt. Schnell bemerkte sie, dass der Rettungsdienst hinsichtlich des Dienstablaufs unberechenbar ist. So steht einer der Grundvoraussetzungen – einem pünktlichen Dienstbeginn – keinesfalls die Sicherheit eines pünktlichen Dienstendes gegenüber, da sich medizinische Notfälle nicht an den Schichtzeiten des Rettungsdienstpersonals orientieren. Lediglich die zu Beginn jedes Dienstes erfolgte Kontrolle auf die Vollständigkeit des Verbrauchsmaterials, die Funktionsfähigkeit der medizinischen Geräte sowie des einwandfreien technischen Fahrzeugzustands stellte eine gewisse Routine dar. Die im Anschluss folgenden Schichtzeiten boten neben Diensten mit durchschnittlichem Einsatzaufkommen auch solche mit wenig bis gar keinen Einsätzen. Aber Katrin Stolper erlebte auch das Gegenteil: Dienste mit sehr hohem Einsatzaufkommen, die der Fahrzeugbesatzung im Extremfall nicht einmal die Möglichkeit einräumten, etwas zu essen.
Das Führen eines Rettungswagens mit Sonder- und Wegerechten im dichten Stadtverkehr sieht sie als eine der Herausforderungen während ihres Freiwilligen Sozialen Jahres. Mit Fehlern anderer Verkehrsteilnehmer rechnen – teilweise aufgrund panischer Reaktionen, weil sie im Rückspiegel einen Rettungswagen mit Sondersignal erblickt haben – und das dadurch erforderlich vorausschauende Fahren stellt im Rettungsdienst ein Muss dar. Schmunzelnd blickt sie auch auf eine weitere erlernte Aufgabe zurück: Das Aufziehen von Schneeketten musste während der häufigen Schneefälle im Winter 2010/11 regelmäßig praktiziert werden, da ein Erreichen der Patienten ohne Schneeketten schlichtweg nicht möglich war.
Blutdruck und Blutzucker messen, EKG kleben, die Sauerstoffgabe und das Vorbereiten des Patiententransports zum Fahrzeug bildeten vor Ort einige der Aufgaben, die Katrin Stolper in den vergangen Monaten zu erfüllen hatte. Letzteres erfolgte – je nach Zustand des Patienten – mit Tragestuhl oder Tragetuch, was natürlich eine gewisse Kraft erfordert. Wurden im Fahrzeug dann weitere Maßnahmen erforderlich, arbeitete sie entweder dem verantwortlichen Rettungsassistenten oder dem Notarzt zu, bevor der Transport ins Krankenhaus erfolgte.
Neben der Einsatztätigkeit fielen im täglichen Dienstbetrieb weitere Aufgaben an, die von der FSJ´lerin gemeinsam mit ihrem Teampartner zu bearbeiten waren: Die Routinereinigung des Rettungswagens, die Desinfektion nach Infektionstransporten, aber auch die Pflege und Instandhaltung der Rettungswache sind hier nur einige Beispiele.
Weiterhin besuchte sie die im Rahmen ihres FSJ vorgeschriebenen Seminartage, die entweder wochen- oder tageweise veranstaltet wurden. Dabei stand der Erfahrungsaustausch mit FSJ´lern aus anderen Rettungsdiensten sowie die theoretische und praktische Fortbildung im Vordergrund.
Das Resümee von Katrin Stolper fällt rückblickend auf die vergangenen zwölf Monate positiv aus. Dabei beginnt sie mit einem Ausblick auf das zukünftige Berufsleben: So startet sie im unmittelbaren Anschluss an ihr FSJ mit einer Ausbildung zur Gesundheits- und Kinderkrankenschwester am Klinikum Hanau. Ihr Jahr im Rettungsdienst hat ihr dabei nach eigener Ansicht sehr geholfen, da sie erste Kontakte knüpfen und auch das zukünftige Aufgabenfeld andeutungsweise kennen lernen konnte. Des Weiteren zeigte sich der neue Arbeitgeber von ihrem sozialen Engagement beeindruckt und auch im Vorstellungsgespräch war aufgrund der bisherigen Erfahrungen bereits eine erste Gesprächsbasis vorhanden.
Für sich selbst sieht sie als wichtigsten Aspekt eine größere Selbständigkeit, sowohl im Hinblick auf die eigene Arbeitsweise als auch bei der Entscheidungsfindung. Sie betont, dass sie vor allem das Übernehmen von Verantwortung erlernt habe. Und auch das nun vorhandene Wissen um das sprichwörtliche enge Beieinanderliegen von Freud und Leid hebt sie hervor.
Das Freiwillige Soziale Jahr im Rettungsdienst hat Katrin Stolper – neben zahlreicher anderer positiver Erfahrungen – das erbracht, was sie sich vor etwa einem Jahr erhofft hatte: eine Berufsorientierung. Und so verwundert es nicht, dass sie anderen jungen Menschen ein solches Jahr nur empfehlen kann.